Baden im Badehaus - Onsen oder Sento? Wie geht das in Japan?
Spätestens seit dem Erfolg des Animes “Chihiros Reise ins Zauberland” oder den Bildern von Affen, die in heißen Quellen baden, ist Japan den meisten für seine heißen Quellen bekannt. Während kleine Unterkünfte mit eigenen heißen Quellen und Luxushotels mit SPA-Bereich immer beliebter werden, scheinen die einfachen Badehäuser in Vergessenheit zu geraten. Doch ist gerade der Besuch in einem öffentlichen Badehaus eine ganz besondere Erfahrung und eine gute Möglichkeit in den japanischen Alltag einzutauchen (hehe!). In diesem Artikel zeigen wir euch, worauf ihr bei eurem Besuch achten müsst und was daran überhaupt so besonders ist.
Onsen, Sento oder Yu? Wie erkenne ich ein Badehaus?
Streng genommen bezeichnet Onsen (温泉) eine natürliche heiße Quelle, während Sento (銭湯) das Wort für Badehaus ist. Oft werden Badehäuser aber auch als Onsen bezeichnet, selbst wenn sie das Wasser künstlich erhitzen. Der beste Hinweis, dass es sich um ein öffentliches Badehaus handelt: Ein meist blauer Vorhang im Eingang, auf dem das Zeichen 湯 oder ゆ steht. Beide Zeichen stehen für “yu”, was “heißes Wasser” bedeutet. Wenn ich in Japan unterwegs bin, halte ich bereits auf dem Weg zur Unterkunft die Augen nach den blauen Vorhängen offen. Habe ich kein Yu auf meinem Weg gefunden, suche ich einfach per Smartphone nach “Onsen” oder “Sento” in meiner Nähe. Endet der Name des angezeigten Ergebnisses auf “yu” ist es ein Badehaus. Bevor ihr euch nun sofort auf die Socken zum Sento macht, solltet ihr vorher ein paar Utensilien einpacken. Perfekt wäre ein großes Handtuch, ein Waschlappen und ggf. Zahnbürste und Zahnpasta. Habt ihr diese Dinge nicht dabei, könnt ihr sie aber in der Regel vor Ort gegen eine Gebühr leihen bzw. kaufen. Duschbad und Shampoo stehen in den Badehäusern kostenlos zur Verfügung.
Öffnungszeiten, Eingang und Bezahlung
Der Großteil der Badehäuser öffnet nachmittags und hat bis in die Nacht auf. Das liegt daran, dass die meisten Kunden Studenten, Arbeiter und einige ältere Menschen sind. Habt ihr ein geöffnetes Sento gefunden und seid unter dem Vorhang durchgetaucht, sollte euch der große Schrank mit den vielen Fächern auffallen. Sucht euch ein Fach aus und packt eure Straßenschuhe dort rein. Schlüssel abziehen nicht vergessen und schon könnt ihr die (Schiebe-)Tür passieren. Hier müsst ihr darauf achten, die richtige Tür zu nehmen: eine ist für Männer und eine für Frauen, denn Badehäuser werden immer nach Geschlechtern getrennt. Das Zeichen für Mann ist 男 und meistens blau geschrieben - das für Frauen 女 in rosa. Die Bäder von Männer und Frauen unterscheiden sich ansonsten nicht.
Nachdem ihr die (hoffentlich richtige) Tür passiert habt, werdet ihr die ältere Frau am Schalter sehen. Nach meiner Erfahrung sind es ausschließlich ältere Frauen, die die Sento führen. Gibt es zusätzlich einen Automaten, bezahlt ihr am Automaten und erhaltet ein Ticket. Je nachdem, ob ihr noch Handtücher etc. braucht, müsst ihr dann die entsprechende Taste am Automaten drücken. Wenn ihr hier nicht weiterkommt, hilft euch garantiert das Personal. Wundert euch aber nicht, wenn der Ton etwas rauer ist. Gerade weil die Sento bis tief in die Nacht aufhaben, ziehen sie interessante Gestalten an. Das Personal hat entsprechend schon einiges erlebt. Seid also bitte etwas nachsichtig, wenn ihr hier nicht die überschwengliche japanische Freundlichkeit erlebt. Das Ticket zeigt ihr der Frau am Schalter. Sie gibt euch dann einen (weiteren) Schlüssel für euren Schrank und ggf. Handtuch etc. Ihr dürft nun passieren.
Im Badehaus ist vor dem Baden
Nun kann es endlich losgehen. Klamotten aus, in den Schrank und ab ins heiße Wasser. Halt! SO einfach ist es leider nicht. Euch ist bestimmt die lange Reihe an Plätzen mit Spiegeln, Wasserhähnen und Duschköpfen aufgefallen? Genau an solch einen Platz müsst ihr bevor ihr ins heiße Bad steigt. Meist stehen an jedem Platz bereits Plastehocker oder in einer Ecke sind einige gestapelt. Nehmt einen Hocker und sucht euch einen freien Platz. Wohin mit dem Handtuch? Am Rand oder oben auf den Plätzen sind meist Körbe. Dort könnt ihr euer Handtuch und andere Utensilien verstauen. Jetzt säubert ihr euch gründlich von Kopf bis Fuß. Japaner sehen es gerne, wenn man dies mehrmals macht. Und auch wenn ihr niemanden seht, der euch bewusst anstarrt, könnt ihr euch sicher sein: in dieser entscheidenden Phase werdet ihr beobachtet. Nach dem Waschen spült ihr den Hocker selbst ab und stellt ihn zurück. Seid ihr nun absolut lupenrein und habt wirklich jede Spur von Seife von eurem Körper gespült, könnt ihr ins heiße Wasser steigen.
Ihr werdet schnell merken: die Anspannung eures Trips, der Stress mit den Verhaltensregeln und was einen sonst so beschäftigt - alles vergeht langsam beim Entspannen in dem heißen Wasser. Schaut euch um. Menschen aus den verschiedensten sozialen Schichten, von jung bis alt entspannen mit euch. Seid ihr in einem Bad, das Menschen mit Tattoos den Eintritt erlaubt, werdet ihr evtl. sogar Yakuza sehen. Gerade in Orten wie Kobe, Osaka oder Kyoto ist die Chance groß, Yakuza zu begegnen. Natürlich sind sie Menschen wie jeder andere auch und können eigentlich nur anhand ihrer Tattoos erkannt werden. An der großen Wand am Ende des Badehauses ist in der Regel ein Bild vom Berg Fuji kunstvoll gemalt. Dafür existiert in Japan ein eigener Beruf. Mittlerweile gibt es jedoch leider nur noch drei solcher Maler. Viele Badehäuser verlieren mehr und mehr ihre Kundschaft und können sich die Bemalung nicht mehr leisten. Früher hatten Badehäuser eine viel höhere Bedeutundg, da kaum jemand ein eigenes Bad zuhause hatte. Heutzutage ist das anders. So sieht man mittlerweile in einigen Sento Plakate statt Malereien.
Wie heiß ist eigentlich das Wasser? Das ist von Sento zu Sento und von Onsen zu Onsen ganz unterschiedlich. Meist liegt es zwischen 37° und 43°. Jeder empfindet Temperatur etwas anders, aber ab 41° kann es schon anfangen zu kribbeln auf der Haut. Ich war einmal in einem Sento in Osaka, dessen Bad 43° Grad hatte. Bei denen, die gerade aus dem Wasser kamen, konnte man genau die Wasserlinie an der Haut erkennen: unter der Linie krebsrot und darüber kreidebleich.
Das Gespräch im Sento
Bis auf das gelegentliche “Aaaahhhh” oder “Uuuuhhhh” werdet ihr im Sento nicht viel von den anderen Besuchern mitbekommen. Gelegentlich aber nimmt jemand seinen ganzen Mut zusammen und spricht euch an. Das kann sowohl auf Englisch als auch auf Japanisch passieren. Das erste Mal wurde ich in einem Badehaus in Nara angesprochen, während ich im Außenbereich auf die Wälder starrte. Zu dem Zeitpunkt konnte ich jedoch noch kein Wort japanisch und mein Gegenüber (eher neben mir) kein Wort Englisch. So war das Gespräch schnell wieder vorbei und wir saßen schweigend nebeneinander.
Ein anderes Mal war ich mit mehreren Freunden in einem Onsen in Matsuyama auf Shikoku. Ein Japaner sprach uns auf Englisch an und war ganz begeistert davon, Europäer in seinem Stammbad anzutreffen. So begeistert, dass er uns mit den Worten “So handsome! Hollywood-Star!” seinen Freunden direkt im Onsen vorstellte. Splitternackt fühlten sich die verwirrten Japaner gezwungen, uns die Hände zu schütteln. Wir müssen dabei auch ziemlich verwirrt geguckt haben. Es war eine absurde Situation, aber eben eine dieser Dinge, die man sein Leben lang nicht vergisst. Bei wem jetzt bereits soziale Phobien hochkommen, kann ganz entspannt sein. In 95% der Fälle wird euch niemand ansprechen. Berichte, dass Japaner sogar die Wanne verlassen sobald man als Ausländer ins Bad steigt, kann ich überhaupt nicht bestätigen. Ich hatte in meinen zahlreichen Besuchen in den verschiedensten Bädern nie das Gefühl nicht willkommen zu sein. Wer natürlich mit gewissen Vorurteilen in solch eine Situation geht, wird vielleicht genau das sehen, was er sehen will.
Nach dem Baden
Seid ihr durchgewärmt und entspannt, müsst ihr euch gut abtrocknen, bevor ihr wieder in den Umkleideraum geht. Die nassen Handtücher etc. könnt ihr in der Regel in einen Wäschekorb vor den Ausgang legen. Solltet ihr einen Waschlappen bekommen haben, nehmt ihn ruhig mit. Das Logo des Badehauses ist draufgedruckt und so macht es sich super als Andenken. Beim Rausgehen macht sich ein kurzes “Arigatou”(Danke) bzw. “Arigatou gozaimashita”(Vielen Dank für alles.) gerichtet an die Empfangsdame immer gut. Höflichkeit wird, wie überall in Japan, sehr geschätzt. Ein Tipp für die Gesundheit zum Schluss: Am Eingang befinden sich oft Getränkeautomaten. Auch wenn ihr nur im Wasser entspannt habt, hat der Körper durch die sehr hohe Wassertemperatur Flüssigkeit verloren. Ein kühles Getränk ist jetzt genau das Richtige und bewahrt euch vor Schwindel und Kopfschmerzen!
Fazit
Der Besuch in einem Badehaus ist für einige Japaner noch alltäglich - für uns als Europäer aber eine ganz besondere Erfahrung. Von Student bis Yakuza-Boss könnt ihr hier Japanern aus den verschiedensten Lebensbereichen begegnen. Außerdem ist eine günstige Methode, um einmal dem Reisestress zu entkommen. Tut euch selbst und den ums Überleben kämpfenden Sento einen Gefallen und nutzt die Badehäuser, wenn ihr einmal in Japan unterwegs seid. Ihr werdet es garantiert nicht bereuen.
Bildquellen:
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** Sodai Gomo auf Flickr: https://flickr.com/photos/49774228@N00/28684857190 Diese Datei ist lizensiert unter der Creative Commons Attribution 2.0 Generic Lizenz.
*** The female room of a public bath-house in Tokyo, Japan.Credit: Wellcome Collection. Attribution 4.0 International (CC BY 4.0)
**** Bild von julienlstark (Pixabay): https://pixabay.com/de/photos/nagano-affe-onsen-japan-3068677/