SHO CHA - Grüner Tee aus Japan

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Irrglaube #2 – Japan ist ein hochmodernes Land

Unser “hochmoderner” Radiowecker in einem Kongresshotel in Kobe mit Licht- und Klimaschalter sowie Nachrichtenfunktion.

Nachdem wir im ersten Artikel unser Blogreihe mit dem Irrglauben, Urlaub in Japan ist teuer, aufgeräumt haben, geht es heute um die vermeintlich konsequente Fortschrittlichkeit von Japan. Das Land von Elektronikriesen wie Sony und Nintendo, Super-Schnellzügen, Millionen von Automaten und spektakulären Großstädten wirkt auf den ersten Blick sehr fortschrittlich. Immerhin bestimmen Videospiele und Anime das moderne Bild von Japan im Ausland. Blickt man genauer hin, offenbaren sich jedoch konservative Strukturen und veraltete Technik. Die 80er sind in vielen Bereichen des japanischen Lebens immer noch state-of-the-art. Begleitet mich auf eine kleine Zeitreise in analoge Technik und überholte Kommunikation.

Übersicht

Die Sache mit dem Fax

CD’s und DVD’s

Die schriftliche Bewerbung

Fazit

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Die Sache mit dem Fax

Japanische Unternehmen haben eine seltsame Faszination mit dem Senden von Faxen. Jedes Unternehmen hat mindestens ein Faxgerät, das täglich im Einsatz ist, um mit Kunden, Geschäftspartnern und anderen Abteilungen zu kommunizieren. Im Elektronikviertel Akihabara in Tokyo gibt es unzählige Shops, die nagelneue Faxgeräte führen. Natürlich hat nicht jeder solch ein Faxgerät zuhause. Dafür aber jeder beliebige 24h-Supermarkt (Konbini), in dem man die Bestellung beim Online-Shop oder die Reservierung beim trendigen Restaurant des Viertels per Fax machen kann. Einige Unternehmen beschränken sogar aus Sicherheitsbedenken das Versenden von Emails durch ihre Mitarbeiter und setzen lieber auf das bewährte Faxgerät. Ob das vertraute Piepen und Surren oder ein allgemeines Misstrauen in neue Technik der Grund für die Bedeutung des Faxgerätes sind, lässt sich nicht eindeutig sagen. Die Klärung dieser Frage sollte man der Wissenschaft in Japan überlassen – die Anfrage dazu kann man bequem per Fax an die jeweiligen Institute senden.

Ab nach Akihabara - nicht für Videospiele oder Mangafiguren, sondern um ein Faxgerät zu kaufen. Viele Elektronikshops haben nagelneue Geräte im Angebot.***

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CD’s und DVD‘s

Während der Rest der Welt den Großteil seiner Musik mittlerweile digital kauft, ist das in Japan anders. Hier gehen über 80% der Musikverkäufe als CD, Schallplatte oder Kassette(!) über den Ladentisch.* Einen Anteil daran haben Käufer, die aus nostalgischen Gründen oder aus Vorliebe für analogen Sound, die Kassette oder das Vinyl bevorzugen. Das macht aber nur einen geringen Teil der Verkäufe aus. Den größten Anteil haben CD’s. Hier ist die Nachfrage nach Singles und Alben seit Jahren ungebrochen. Besonders seltsam ist die Vorliebe für Single-CD’s von japanischen und koreanischen Idol Groups. Junge Girl- und Boybands verkaufen ihre Singles im Millionenbereich. Dazu gibt es häufig Limited Editions oder spezielle Versionen, die den Verkauf kräftig anschieben.

Ein weiteres Phänomen sind die tausenden Videotheken im ganzen Land. Nur wenige Scrollen durch digitale Mediatheken, um einen Film auszusuchen. Zum gemütlichen Filmabend gehört hier der Gang zur Videothek um die Ecke und das Durchstöbern von Regalen nach dem passenden Film. Der Großteil der Japaner leiht Video-DVD’s und Bluerays aus – gerade einmal 16.5% nutzen Streaming Services wie Amazon Prime oder Netflix.** Als einer der größten Märkte für Musik und Film stellt diese Tatsache die Konzernriesen vor eine große Herausforderung in der Eroberung des japanischen Marktes.

Kein ungewöhnlicher Anblick: In ganz Japan gibt es tausende CD-, Vinyl- und DVD-Läden.****

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Die schriftliche Bewerbung

Eine weiterer Sonderfall ist die schriftliche Bewerbung bei einem japanischen Unternehmen. Sie erfordert eine Fähigkeit, die viele heutzutage kaum noch beherrschen: die Schönschrift. Ein Großteil der Firmen fordert immer noch das schriftliche Ausfüllen eines Standardformulars, dem sogenannten Rirekisho (履歴書). Man kann es am ehesten mit einem Lebenslauf vergleichen, im Detail unterscheidet er sich aber etwas von der europäischen Form. Besonders aufwändig: Hat man sich einmal verschrieben, ist eine Korrektur mit Tipp-Ex ausgeschlossen – das würde unsauber und nachlässig wirken. Man nimmt ein neues Formular und fängt einfach wieder von vorne an. Die Bewerbung wird dann im Anschluss persönlich, per Post oder per Fax eingereicht. Ihr habt doch wohl nicht gedacht, dass ihr die scannen und im Anhang einer Email schicken könnt! 😉

Bitte in Schönschrift ausfüllen! An der Handschrift wollen japanische Unternehmen den Charakter und die Motivation des Bewerbers erkennen.

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FAZIT: Ein zweischneidiges Schwert

Das Festhalten an alten Strukturen und die konservative Denkweise vieler Japaner verhindert an vielen Stellen die Modernisierung des Alltagslebens. Doch ist das auch einer der Gründe, warum viele der Traditionen und Bräuche sowie die traditionelle Küche erhalten geblieben sind. Auch die Suche nach alten Videospielen oder seltenen Schallplatten gestaltet sich einfach und man findet jahrzentealte Technik originalverpackt in neuem Zustand. Es gibt nämlich sehr viele Stores, die sich auf Videospiele, Kassetten oder alte Elektronikgeräte spezialisiert haben.

Traditionelle Strukturen machen das Land einzigartig und anders als die meisten der hochentwickelten Industrieländer, wird somit auch ein Stück Geschichte bewahrt. Und wenn ich ehrlich bin: Mal wieder in einer Videothek nach Filmen zu stöbern oder eine Kassette für meinen verstaubten Walkman zu kaufen – da hätte ich echt Lust drauf.

Quellen:

*International Federation of the Phonographic Industry – Global Music Report 2016

**https://japantoday.com/category/entertainment/what-is-japan%E2%80%99s-most-used-on-demand-video-streaming-service

***Bild von Christian Singer (Pixabay). Seine Website: https://www.anthrphotoblog.com/

****Bild von Jorge Fakhouri (Pixabay). Sein Instagram: https://www.instagram.com/jorgefakhouri.fotografia/